Gleichsetzung von rechts und links nicht zulassen

Innere SicherheitRechtsextremismusNiklas Schrader

54. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 20. Februar 2020

Zu "Linkem Extremismus entschieden entgegentreten: Einführung eines Aussteigerprogramms für Linksextremisten" (Priorität der AfD-Fraktion)

Niklas Schrader (LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Warum dieser Antrag unsinnig ist, lässt sich in wenigen Sätzen sagen. Erstens kann man solche Aussteigerprogramme, die es beim Rechtsextremismus schon gibt, nicht einfach auf die linke Szene übertragen, weil die Szenen einfach verschieden sind. Es ist zum Beispiel nicht bekannt, dass es in der linken Szene irgendeine Form von Druck gibt gegen Leute, die aussteigen wollen, oder Bedrohungen, wie wir sie von Neonazis kennen. Wenn also jemand nicht mehr zur Aktionsgruppe oder zum Mao-Lesekreis gehen will, dann geht er eben nicht mehr dort hin.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Mao-am!]

Da sind die Leute dann ein bisschen traurig, aber so einfach ist das.

Zweitens: Es gibt auf Bundesebene Erfahrungen mit einem solchen Aussteigerprogramm. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat so etwas schon seit ein paar Jahren im Programm. Dann schauen wir uns doch mal die Bilanz an, die sich in Antworten der Bundesregierung auf Schriftliche Anfragen findet: In sechs Jahren gab es ganze 28 Anrufe bei dieser Telefonnummer. Die Bundesregierung selbst sagt, dass in keinem einzigen Fall längere Gesprächskontakte zustande gekommen sind. Es gab auch ein paar Anrufe aus Quatsch. In keinem einzigen Fall kann man irgendeinen Aussteiger vorweisen. – Das ist die Bilanz. Da muss ich sagen, dass mir unser öffentlicher Dienst zu schade ist, als dass er sich mit so einem Unsinn beschäftigen muss.

Ich glaube auch, dass es kein Zufall ist, dass dieser Antrag ausgerechnet aus der rechten Ecke in diesem Hause kommt. Wir erleben es immer wieder, dass zur Ablenkung von eigenen Ausfällen und Entgleisungen – Hitler-Wein usw. – aus Ihrer Partei immer auf den Linksextremismus verwiesen wird.

Dass das von der AfD kommt, ist keine Überraschung. Aber ich will mich hier auch noch an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP wenden: Die AfD ist schlimm genug, das wissen wir. Aber dass Sie hier immer wieder neben der AfD in das gleiche Horn blasen und links und rechts immer wieder gleichsetzen, das finde ich noch viel besorgniserregender.

[Beifall bei der LINKEN –
Frank-Christian Hansel (AfD): Finde ich auch ganz schlimm! Mit denen wollen wir nichts zu tun haben!]

Auch die CDU hat hier schon einen Antrag eingebracht, in dem sämtliche Instrumente, die wir gegen den Rechtsextremismus haben, jetzt auch gegen den Linksextremismus eingesetzt werden sollen; auch ein solches Aussteigerprogramm gehört dazu.

Die FDP-Fraktion beantragt im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie im Ausschuss für Verfassungsschutz Besprechungspunkte, die im Wortlaut identisch sind mit denen der Koalition, bloß dass Sie „rechts“ durch „links“ ersetzt haben.

Was soll das?

Natürlich können wir hier über linke Militanz reden; das machen wir oft genug. Aber Rechtsterroristen ermorden in diesem Land Menschen. Die reisen umher und töten Migranten, die töten Politiker, die greifen Synagogen an – und das ist die massive Bedrohung für unsere Demokratie. Und nein, das kann man nicht mit der Rigaer Straße gleichsetzen.

Heute verurteilen wir alle zusammen den Terror in Hanau und müssen uns morgen wieder so hohle Phrasen aus der Hufeisentheorie anhören: mit links und rechts, mit rechts wie links und mit „Jedweder Extremismus, egal welcher Couleur“ usw. usf. – Diese Plattitüden sind hochgefährlich.

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des fraktionslosen Abgeordneten Wild?

Niklas Schrader (LINKE):

Nein, sorry! – Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, herauszufinden, wie viele Besprechungspunkte die CDU-Fraktion im Ausschuss für Verfassungsschutz zu Links- und Rechtsextremismus angemeldet hat. Das Ergebnis war 11 zu 0 – elf Mal Linksextremismus, null Mal Rechtsextremismus.

Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn der Eindruck entsteht, dass bei Ihnen der Feind im Zweifel links steht. Das ist für mich ein Alarmzeichen, denn genau aus dieser Haltung wurde der Karren in Thüringen gründlich an die Wand gefahren.

Diese Haltung hat das Ganze erst möglich gemacht. Deshalb freue ich mich, dass in Ihren Parteien jetzt eine Diskussion über dieses Thema ausgebrochen ist. Daher fordere ich Sie auf, liebe Kollegen von der CDU und der FDP:

[Frank-Christian Hansel (AfD): Linksfront!]

Überdenken Sie diese Haltung! Differenzieren Sie! Machen Sie sich nach rechts dicht und streiten Sie gemeinsam mit uns für den Erhalt unserer Demokratie!

[Zuruf von der AfD: Koalieren Sie nicht
mit den Mauermördern!]

– Danke!