Rot-Rot-Grün hat Antisemitismusprävention und Deradikalisierungsarbeit verstärkt

61. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 20. August 2020

Zu "Konsequent gegen Extremismus III: Antiextremistischen Konsens stärken – Antisemitismus ist in jeder Erscheinungsform inakzeptabel und muss bei der Extremismusbekämpfung mitgedacht werden" (Antrag der Fraktion der CDU)

Niklas Schrader (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass der Antisemitismus in unserer Gesellschaft weit verbreitet ist und eine wachsende Bedrohung darstellt, ist, glaube ich, unstrittig. Und unstrittig ist, glaube ich auch, dass er ein komplexes Phänomen ist. Da muss ich leider sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion: Mit einem derart holzschnitzartigen Ansatz und so einem oberflächlichen Antrag werden Sie der Komplexität nicht gerecht.

Ich möchte erst mal festhalten: Ich glaube, was die Antisemitismusprävention angeht, was die Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen angeht, die gegen Antisemitismus arbeiten, was die Deradikalisierungsarbeit angeht, was die finanziellen Mittel für diesen ganzen Bereich angeht, macht diese Koalition mehr als alle zuvor. Das ist richtig, und dahinter stehen wir.

Ein bisschen verwundert es mich auch, dass in diesem Antrag Dinge stehen, die schon passieren. Sie fordern beispielsweise, dass bei der Präventionsarbeit, bei der Deradikalisierungsarbeit der Antisemitismus stärker berücksichtigt wird. – Das passiert doch längst; also bitte! Das ist in den letzten Jahren wirklich verstärkt worden. Es ist akzeptabel, wenn Sie sagen: Das reicht alles nicht, es muss noch mehr werden! – Aber wofür ich Sie wirklich kritisiere, ist, dass Sie immer wieder diesen holzschnittartigen Extremismusbegriff verwenden.

Ich sage Ihnen: Mit diesem Bild vom Extremismus an den Rändern werden Sie dieses Phänomen des Antisemitismus nicht erfolgreich bekämpfen können. Ich sage Ihnen auch, warum – das habe ich ja schon oft gemacht, aber es hilft nichts: Dieses Bild verstellt den Blick auf den Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft. Es ist ja gerade das Wesen des Antisemitismus, dass er in der gesamten Gesellschaft vorhanden ist, und zwar seit Jahrhunderten. Das gilt natürlich auch für politische Parteien. In der CDU gab es Herrn Hohmann, in der FDP gab es Herrn Möllemann, und natürlich gibt es auch in der Linken und in anderen Parteien Antisemitismus; das ist völlig klar. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, unser aller Aufgabe, dem entgegenzutreten. Da hilft es überhaupt nicht, wenn man so ein Bild der sauberen Mitte zeichnet, in der es so etwas nicht gibt, und nur an den Rändern gibt es Antisemitismus. Die saubere Mitte gibt es nicht. Damit kommen wir nicht weiter, wenn wir ihn bekämpfen wollen.

Und dann setzen Sie in Ihrem Antrag noch einen drauf und fordern von den zivilgesellschaftlichen Organisationen ein Bekenntnis ab. Während Sie die Mitte vom Antisemitismus freisprechen, stellen Sie zivilgesellschaftliche Organisationen mit dem Abfordern eines Bekenntnisses unter Generalverdacht – mit einer Art Extremismusklausel 2.0. Das passt doch nicht zusammen: Sie wollen mit den Organisationen zusammenarbeiten und die Kooperation verstärken; gleichzeitig unterstellen Sie ihnen eine Form von Antisemitismus, wenn sie bestimmte Sätze nicht unterschreiben. Ich finde, das passt nicht zusammen. In dem Antrag geht vieles in die falsche Richtung. Deswegen werden wir ihm leider so nicht zustimmen können. Aber vielleicht ergibt die Diskussion noch etwas. – Vielen Dank!